Dienstag, 29. Dezember 2009

Alle Jahre wieder – Komasaufen !


Alle Jahre wieder – Komasaufen ! „Mädchen (12, 13) liegen bewusstlos im Wald“ und die Zeitung schreibt darüber

Zur Erinnerung und vielleicht ein Denkanstoß für Betroffene und solche die es nicht werden wollen. Tequila und Komasaufen – ein Vortragsabend am Schyren - Gymnasium Pfaffenhofen

Die Sitzreihen in der Aula des Schyren –Gymnasiums waren gut gefüllt, am Dienstag den 12. Mai 2009. Der Elternbeirat hatte mit Prof.Dr. Jörg Wolstein, einen ausgewiesenen Experten für Suchtprävention geladen. Das ruhige und gut bebilderte Referat erstreckte sich über zwei Stunden und gab den Besuchern auch die Möglichkeit Fragen zu stellen.
Jugendliches Rauschtrinken, die klarere Umschreibung für Komasaufen, bildete den Kern der Informationswolke, die Prof. Wolstein mitgebracht hatte. Was macht Eltern und Erziehern Angst, wo und wie erkenne ich abhängiges Verhalten, was tut der Staat, was kann ich tun?
Viele Zahlen und Diagramme über das Trinkverhalten der Jugendlichen in Europa und Deutschland, erklären zwar dem Experten mögliche Veränderungen im Umgang mit dem Suchtmittel Alkohol, bei dem betroffenen elterlichen Laien hinterlässt es eher Verunsicherung. Todesfälle im Zusammenhang mit dem Trinkphänomen Komasaufen, haben die Öffentlichkeit aufgeschreckt und Mediziner und Politiker zum Handeln genötigt. Werbung und Jugendschutz werden durchleuchtet und hinterfragt. Ein Heer von Experten wirft immer verwirrendere Zahlen in die Medien, was zur Folge hat, dass diese sich ständig verändern und die Aussagen unscharf bleiben. Die Ursache für den Trend mag in England liegen, die betroffenen Kinder liegen in unseren Krankenhäusern und Straßen.
Wo also ansetzen, wie erreiche ich die Betroffenen, was kann ich tun, wo muss ich bei meinen Kindern HALT sagen?
„Hart am Limit“ übersetzt die Bayrische Akademie für Suchtfragen dieses HaLT mit dem gleichlautenden Alkoholpräventionsprojekt.
Dieses richtet sich an Kinder und Jugendliche mit riskantem Alkoholkonsum und deren Eltern, insbesondere im Zusammenhang mit schweren, im Krankenhaus zu behandelnden Alkoholintoxikationen; wie in der Beschreibung auch im Internet unter http://www.bas-muenchen.de , zu lesen ist.
In der Klinik soll praktisch der Erstkontakt hergestellt werden und der weitere Weg des jungen Patienten unterstützend begleitet werden. Ein guter Ansatz von vielen, der weiter verfolgt werden wird. Aufklärung tut Not und hilft, doch wie heißt es im Kindergarten schon „Hilf mir, es selbst zu tun“ und dazu braucht es sehr viele, gut ausgebildete Begleiter. Pubertierende neigen zu Misstrauen und Unbelehrbarkeit. “ Einem sechzehnjährigen können sie mit einer Leberzierrose in 20 Jahren nicht drohen, er hält sich in dem Alter für unsterblich“ (Zitat Prof.Wolstein)
Aus medizinischer Sicht gesehen, erklärte der Referent, Zusammenhänge, die einigen Zuhören durchaus staunen ließen. So besteht von der Verträglichkeit von Alkohol und einem erhöhten Risiko zur Abhängigkeit ein direkter genetischer Zusammenhang der nichts mit einer erworbenen Toleranz zu tun hat. Das heißt wer viel verträgt, hat eine weitaus größere Gelegenheit Alkoholiker zu werden, als jemand der empfindlicher auf das Nervengift Alkohol reagiert. Im jugendlichen Alter ist das wachsende und sich verändernde Gehirn auch noch extrem anfällig was alkoholische Vergiftungen betrifft. Ein paar Räusche mehr, richten da schon gleiche Schäden an, wie sie aus der vorgeburtlichen Diagnostik bekannt sind.
Die Entscheidung ob ein Jugendlicher riskanten Alkoholkonsum betreibt und somit Hilfe braucht, ist noch kaum erforscht. Das Augenmerk der „Suchtwissenschaft„ hat sich bis vor kurzer Zeit ausschließlich mit Erwachsenen befasst, was zu nicht altersgerechten Fragebögen geführt hat. Den Ergebnissen der letzten Jahre ist also nicht unbedingt zu trauen. Versuch und Irrtum beherrschen beide Seiten der Münze, was jetzt nicht zu Resignation führen muss. Der bis zur Bewusstlosigkeit saufende Jugendliche ist keine Modeerscheinung. Die Schäden an Körper, Geist und Seele sind nicht wegzuschieben. Das Problem betrifft alle Bevölkerungsschichten auf jedem Bildungsniveau. Kein Arbeitsplatzabbau und keine Umsatzmaximierung darf den Lobbyisten das Recht geben unsere Kinder im Wodkanebel stehen zu lassen. Wir stehen am Anfang eines gesunden Wandels in den Köpfen der Politiker. In dem ethischen Prinzip Verantwortung steckt die Fähigkeit zur bewussten Entscheidung. Die Gesellschaft muss bereit sein, sich dem Problem Alkohol zu stellen. Mit dem Schlusswort, das es einfacher ist das Verhalten der Erwachsenen zu ändern, als den Jugendlichen das zu verbieten, was die Erwachsenen ihnen vormachen, mündete der Vortrag in eine lebhafte Fragestunde.
Warum jetzt Prof.Dr. Wolstein als Abschiedsgeschenk eine Flasche Wein bekam, hat sich mir nicht unbedingt erschlossen.

Manfred Habl

AUS MEINER SICHT

Mein Name ist Manfred, ich bin Alkoholiker. Ich schreibe und sage das, weil ich froh darüber bin es zu wissen. Als ich das erste Mal mit 13 Jahren die Erfahrung eines Vollrausches mittels einer Flasche Slibowitz machte, hatte ich keine Ahnung wohin mich diese pubertäre Mutprobe letztendlich führen sollte. Mit 25 war ich nicht mehr in der Lage ein Leben ohne Alkohol zu führen, ich konnte mir mit meinem kranken Gehirn auch nicht mehr vorstellen das so etwas überhaupt möglich ist. Alle trinken, alle feiern, Alkohol enthemmt, macht mutig, stark, schön und erfolgreich, was hatte ich also fasch gemacht?
Als junger Mensch war ich auf der Suche nach Vorbildern, nach Helden, dem Krieger, dem ich nacheifern konnte. Ein Bild das unserer Jugend auch heute noch in der Alkoholwerbung verkauft wird. Die Initiationsriten haben sich kaum verändert, um höhere Weihen zu erlangen muss ich mich erniedrigen.
Der Weg über die alkoholische Mutprobe scheint unvermeidlich. Zwei Drittel der jungen Heldenanwärter überstehen die Prozeduren auch relativ unbeschadet, der Rest bleibt früher oder später auf der Strecke. Die meisten meiner Mittrinker aus alten Zeiten kann ich heute nur noch auf dem Friedhof besuchen. Beim Saufen geht es nicht ums Vertragen, sondern ums Ertragen, ums aushalten können, leidensfähig zu sein, eine Kapitulation ist nicht vorgesehen. Genau da begann die Sucht, ich hatte nicht gelernt aufzugeben obwohl ich schon lange machtlos war. Der Alkoholiker in mir, der trinken möchte, steht jeden Tag in meinem Spiegel. Die Krankheit kann nur zum Stillstand gebracht werden, eine Heilung gibt es nicht. Ich habe die schmerzhafte Erfahrung eines Rückfalls nach 15 Jahren Abstinenz gemacht, die Intensivstation war mein Zeuge. Alkohol ist ein reines Nervengift, das dummerweise im Belohnungszentrum angreift und in der Lage ist jeden noch so scharfen Verstand zu umgehen. Ein nasser Alkoholiker ist nicht dumm, er ist in der Lage seine Situation vor sich selbst und dem Rest der Welt geheim zu halten. Der Weg aus diesem Dilemma führte und führt, auch heute noch, über eine Gemeinschaft von Menschen die das gleiche Problem haben.
Eine Bitte steht dabei immer im Zentrum: „Gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen die ich nicht ändern kann. Den Mut Dinge zu ändern die ich ändern kann und die Weisheit, das eine vom Anderen zu unterscheiden.“

1 Kommentar:

Unknown hat gesagt…

Manfred Dein Artikel hat mir sehr gut gefallen...
Um den Trend Komasaufen zu stoppen bedarf es mehrerer Faktoren, zum einen die Eltern die ihre Vorbildfunktion wahren sowie das Familienleben so intensiv wie möglich gestalten müssen und zum anderen der Staat der nicht nur halbherzige Aktionen ins Leben rufen sollte sondern Alkoholwerbung einschränken und den Zugang zum Alk reduzieren sollte. Zu guterletzt muss das Zusammenspiel zwischen Schule und Eltern verbessert werden.

http://gesund-erziehen.de/